Abhärten statt verwöhnen: Berliner Stadtbäume im Klimastress

Extreme Wetterereignisse erfordern neue Baumarten, erhöhte Pflegemaßnahmen – und ein verändertes Regenwassermanagement, sagt Kerstin Ehlebracht, Stadtbaumexpertin bei der Berliner Senatsumweltverwaltung. Ein Gastbeitrag.

01.10.2025

Stadtgrün

Sturmschaden an einem Stadtbaum in Berlin SenMVKU

Sturmschaden an einem Berliner Stadtbaum

Die extremen Wetterereignisse der letzten Jahre mit Stürmen, Starkregen, großer Hitze, erhöhter Strahlung und sehr langer Trockenheit sind sowohl in ihrem Ausmaß als auch in ihrer Häufigkeit besorgniserregend. Die entsprechenden Auswirkungen treffen das Stadtgrün besonders stark.

Bei großer Hitze und langanhaltender Trockenheit fehlt dem Stadtgrün Wasser. Das Problem wird durch den sinkenden Grundwasserspiegel, verdichtete Böden und versiegelte Flächen noch verschärft. Die Folge sind erhebliche Trockenschäden.

Aber auch Stürme und starke Regenfälle richten Schäden an, indem sie Bäume umstürzen lassen.

In langen Hitze- und Trockenphasen vertrocknet das Stadtgrün, während bei starkem Regen das Wasser zu schnell abfließt bzw. gezielt abgeleitet wird und damit längerfristig nicht zur Verfügung steht.

Kurzfristig können die bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter mit zusätzlichen Wässerungen etwas gegen die Folgen von Hitze und Trockenheit tun. Langfristig braucht es jedoch neue Bauweisen, eine gezielte Auswahl geeigneter Pflanzen und ein Regenwassermanagement, das diesen Herausforderungen begegnet.

Bodenfeuchte Diagramm - Stadtgrün und Klimaextreme

Bodenfeuchte am Beispielstandort Tempelhofer Weg in Berlin-Neukölln (Diagramm in %nFK bis in eine Tiefe von 85 cm, Baumart: Winterlinde, Bodenart: mittel lehmiger Sand Sl3. Quelle: Pflanzenschutzamt Berlin / Deutscher Wetterdienst

Auswirkungen der Klimaextreme auf das Stadtgrün

Wenn es in der Stadt heiß und trocken ist, leiden die Pflanzen unter Wassermangel. Dadurch geraten sie in so genannten Trockenstress, der durch Bodenverdichtung, Versiegelung und Grundwasserabsenkungen noch verstärkt wird.

Davon ist vor allem der dicht bebaute Innenstadtbereich betroffen. Dort ist unabhängig von der jeweiligen Witterung das Wasserangebot vergleichsweise gering. In den Sommermonaten sorgen Hitze, Trockenheit und Strahlung für extreme Bedingungen. Hinzu kommen häufig unzureichende Wurzelräume, verdichtete Böden sowie viele versiegelte Flächen verbunden mit einer erhöhten Abstrahlung und einer Aufheizung der Umgebung. Diese schlechten Bedingungen sorgen dafür, dass sich die Hitze und Trockenheit dort viel stärker auswirken als in der Natur.

Trockenstress führt aber nicht nur zu direkten Schäden, sondern er lässt Bäume auch anfälliger werden für Schädlinge und Krankheiten.

Um Trockenstress vorzubeugen, müssen junge Bäume in den ersten Jahren regelmäßig gewässert werden, denn sie sind noch nicht vollständig am Standort etabliert und haben noch kein weitläufiges Wurzelsystem ausgebildet. Besonders an innerstädtischen Straßen brauchen sie vor allem bei heißem, trockenem Wetter zusätzlich Wasser. Im Frühjahr müssen Jungbäume außerdem tiefgründig gewässert und eventuell gedüngt werden, damit sie gut ins Jahr starten. Altbäume versorgen sich aufgrund eines weitreichenden Wurzelsystems selbst mit Wasser, mittelalte Bäume benötigen nur bei langanhaltender extremer Hitze und Trockenheit eventuell zusätzliche Wassergaben.

Bei Starkregen fließt das Regenwasser oft schnell ab oder wird gezielt abgeleitet, sodass es den Pflanzen nicht dauerhaft zur Verfügung steht. Zu viel Wasser kann den Bäumen aber ebenfalls schaden. Wenn sich das Wasser staut, kann das zu Sauerstoffmangel im Boden führen. Dadurch sterben Wurzeln ab, was die Gesundheit und die Standfestigkeit der Bäume gefährdet.

Auch Stürme schädigen das Stadtgrün, indem sie Bäume umstürzen lassen.

Hitzeschäden an einem Fächerahorn (Katsura) Pflanzenschutzamt Berlin

Hitzeschäden an einem Fächerahorn (Katsura)

Trockenschäden an einer Linde - die Schwammstadt kann bietet Lösungsansätze Pflanzenschutzamt Berlin

Trockenschäden an einer Linde

Sturmschaden an einem Stadtbaum in Berlin SenMVKU

Sturmschaden

Pilzbefall an einem Berliner Stadtbaum SenMVKU

Pilzbefall

Auswirkungen auf die Straßenbäume

Besonders betroffen vom Klimawandel sind die Stadtbäume an den rund 5.000 Kilometern Straßen in Berlin. Diese Standorte sind ohnehin trockener und heißer als andere. Oft ist dort zu wenig Platz für die Wurzeln, der Boden ist verdichtet und versiegelt, was sich negativ auf die Vitalität der Bäume auswirkt. Zusätzlich werden die Bäume durch Bauarbeiten, Unfälle oder Tausalz im Winter beschädigt. Auch die ätzende Wirkung von Hundeurin greift sie an. Die Straßenbäume sind also vielen Belastungen gleichzeitig ausgesetzt, die sich gegenseitig verstärken können.

Um den Zustand der Straßenbäume in der Berliner Innenstadt zu erfassen, lässt der Berliner Senat seit fast 50 Jahren alle fünf Jahre Colorinfrarot-Luftbilder (CIR) auswerten. Die Ergebnisse werden im „Straßenbaum-Zustandsbericht Berliner Innenstadt“ veröffentlicht. Dieser beschreibt den Zustand der Baumgattungen Linde, Ahorn, Rosskastanie und Platane in den untersuchten innerstädtischen Bereichen.

Der Vergleich der Berichte von 2015 und 2020 zeigt: Der Zustand der Straßenbäume hat sich deutlich verschlechtert, vor allem was die Kronenvitalität (also die Gesundheit der Baumkrone) betrifft. Während im Jahre 2015 noch rund 52 Prozent der untersuchten Bäume als nicht geschädigt eingestuft wurden, waren es 2020 nur noch rund 44 Prozent.

Prozentualer Anteil der geschädigten Bäume bei den vier Berliner Hauptbaumgattungen Linde, Ahorn, Platane und Rosskastanie (Daten Stand 2020)

Prozentualer Anteil der geschädigten Bäume bei den vier Berliner Hauptbaumgattungen Linde, Ahorn, Platane und Rosskastanie (Daten Stand 2020)

Anteil nicht geschädigter Bäume (Stand 2020, Vergleich mit 2015):

  • Linde: 56 % (2015: 60 %)
  • Platane: 30 % (2015: 50 %)
  • Ahorn: 29 % (2015: 38 %)
  • Rosskastanie: 11 % (2015: 47 %)

Vor allem bei der Rosskastanie ist der Zustand deutlich schlechter geworden.

Der Straßenbaum-Zustandsbericht 2025 ist in Bearbeitung. Die Ergebnisse werden gegen Ende des Jahres/Anfang 2026 erwartet.

Handlungserfordernisse zur Klimaanpassung

Die sogenannten „Zukunftsbäume“

Für die Zukunft braucht es Baumarten (als Gattungen, Arten, Sorten), die lange Hitze- und Trockenphasen überleben können. Durch die Strategie „Abhärten statt Verwöhnen“ und die Verwendung von standortgerechten Baumarten soll dieses Ziel erreicht werden.

Besonders an innerstädtischen Straßen werden künftig vermehrt Baumarten aus Gebieten gepflanzt, die besser mit Hitze, Trockenheit und starker Sonneneinstrahlung zurechtkommen. Auch gezüchtete Sorten, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge und extreme Bedingungen sind, werden immer wichtiger.

Im Rahmen der Berliner Stadtbaumkampagne wurden bereits rund 260 verschiedene Baumarten gepflanzt. Welche davon sich langfristig am besten eignen, wird die Zukunft zeigen. Aber: Bäume stammen ursprünglich aus dem Wald. Keine Art – egal ob heimisch oder nicht – ist perfekt an die extremen Bedingungen in der Stadt angepasst. Manche Arten kommen lediglich besser damit zurecht als andere.

Um herauszufinden, welche Arten besonders widerstandsfähig sind, testet die Berliner Senatsumweltverwaltung verschiedene Baumarten – unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK). Doch eindeutige Ergebnisse brauchen viele Jahre Erfahrung.

Die Europäische Hopfenbuche wird als als Berliner Stadtbaum genutzt, da sie gut mit Hitze und Trockenheit umgehen kann.

Zukunftsbaum: Die Europäische Hopfenbuche kann gut mit Hitze und Trockenheit umgehen.

Pflegemaßnahmen

Für die Pflege der Bäume auf öffentlichen Flächen sind die Straßen- und Grünflächenämter in den jeweiligen Bezirken zuständig. Dafür bekommen sie Mittel von der Senatsverwaltung für Finanzen.

Da der Klimawandel die Bäume stark belastet, brauchen sie heute mehr Pflege denn je. Dazu gehören neben dem Schneiden und dem Bekämpfen von Schädlingen auch vermehrte Wässerungen.

Jungbäume müssen insbesondere von April bis Ende August ausreichend gegossen werden. Weil sie bei der Rodung in der Baumschule Wurzelverluste erleiden, können sie anfangs nicht genug Wasser aufnehmen. Deshalb brauchen sie Unterstützung durch einen fachgerecht auszuführenden Pflanzschnitt und Wassergaben. Pro Wässerung sollten mindestens 100 Liter gegeben werden – und das mindestens 12 bis 15 Mal im Jahr, bei großer Hitze und Trockenheit sogar noch öfter. Das Wasser muss tief in den Boden eindringen, damit sich die Wurzeln bis in tiefere Bodenschichten ausbilden. Oberflächennahe Wässerung mit wenig Wasser (eimerweise) führt zum Verbleib der Baumwurzeln im oberen Bodenbereich und ist daher nicht zielführend.

Die Senatsumweltverwaltung hat die bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter in den letzten Jahren mit Sondermitteln beispielsweise für „Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung des Berliner Baumbestandes“ und für zusätzliche Wässerungen massiv unterstützt.

Zur Wässerung wird meist Trinkwasser verwendet. Da dieses aber sehr wertvoll ist, müssen neue Konzepte zur Einsparung entwickelt werden. Die Regel lautet: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Die Bäume sind insofern zur Selbstversorgung zu erziehen.

Bewässerung eines Berliner Stadtbaums SenMVKU

Bewässerung von Stadtbäumen

Wässerung von Berliner Stadtbäumen mit einem Tankwagen Pflanzenschutzamt Berlin

Regenwassermanagement

Ein wichtiger Teil zukünftiger Bewässerungskonzepte ist die Nutzung von Regenwasser. Momentan steht dieses Wasser dem Stadtgrün nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. In Zukunft sollte es aber nicht mehr ungenutzt abgeführt werden oder abfließen, sondern – im Sinne der „Schwammstadt“ – in der Stadt zurückgehalten werden, denn Regenwasser, das in die Mischwasserkanalisation gelangt, ist verloren – es überlastet das Abwassersystem und verschmutzt unsere Gewässer.

Damit Regenwasser für das Stadtgrün nutzbar wird, darf es nicht durch das Salz des Winterdienstes sowie durch sonstige Schadstoffe (wie zum Beispiel Reifenabrieb) verunreinigt werden. Anstauungen im Bereich des Stadtgrüns müssen unterbleiben.

Erste Ansätze wie die direkte Einleitung von Dachwasser in Baumscheiben oder die Pflanzung von Bäumen in Mulden, am Rand oder auf Podesten gibt es bereits – sie müssen weiterentwickelt werden.

Das Bild zeigt Bäume in Mulden. Im Vergleich zu Bäumen, die nicht in Mulden stehen, erscheinen sie deutlich grüner und besser gewachsen. Hartmut Balder

Bäume in einer Mulde in der Rummelsburger Bucht

Ziel muss es sein, Regenwasser sowohl im Neubau als auch im Bestand zurückzuhalten, zu filtern und für das Stadtgrün nutzbar zu machen. Hierfür bedarf es einer Aktualisierung von technischen Regelwerken für die wasserrechtliche Genehmigungspraxis und den Rückbau versiegelter Flächen. Überall dort, wo die Oberflächenabdichtung nicht zwingend erforderlich ist, sind die Flächen frei zu halten für die Versickerung von Regenwasser.

Nachhaltiges Regenwassermanagement bedeutet:

  • Regenwasser lokal filtern, speichern und nutzen
  • Regenwassers u.a. für die Bewässerung des Stadtgrüns nutzen
  • Überflutungen vermeiden
  • Grundwasserneubildung fördern

Im Sinne der Schwammstadt muss das Regenwasser gezielt gesteuert und dort gespeichert, versickert oder verdunstet werden, wo es anfällt.

Dazu muss geklärt werden:

  • Wo kann Regenwasser versickern?
  • Wo und wie kann Regenwasser zwischengespeichert werden?
  • Wo kann entsiegelt werden?
  • Wo und wie kann der Untergrund für eine erhöhte Versickerung verbessert werden?
  • Was kann anstelle von Trinkwasser zum Wässern des Stadtgrüns verwendet werden?

Geeignete Maßnahmen sind:

  • Mulden und Rigolen
  • durchlässige Straßenbeläge
  • entsiegelte, multifunktionale Bereiche
  • Grünflächen und Wälder
  • begrünte Dächer und Fassaden
  • Seen, Bäche und Feuchtgebiete
  • Regenwassertanks
Fahrradstellplätze neben Baumscheibe - Entsiegelung Ahnen&Enkel/Silke Reents

Erweiterte Baumscheibe im Schillerkiez in Neukölln. Das Regenwasser des Gehwegs fließt dank Gefälle in die Baumscheibe.

Umsetzung des Handlungsbedarfs

Die Pflege des Stadtgrüns ist ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und trägt wesentlich zur Lebensqualität in der Stadt bei. Insofern ist die grüne Infrastruktur gleichberechtigt mit blauer und grauer Infrastruktur zu sehen. Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen wie Wasserwirtschaft, Stadtgrün, Hoch- und Tiefbau müssen zukünftig enger zusammenarbeiten, um gemeinsam Lösungen auf die klimatischen Herausforderungen zu finden. Bei der Milderung der klimatischen Veränderungen spielt das vorhandene Stadtgrün die wesentliche Rolle – gleichzeitig sind aber die spezifischen Ansprüche wie ausreichender Wurzelraum von Straßenbäumen schon bei zukünftigen Planungen zu berücksichtigen.

Über die Autorin

Kerstin Ehlebracht ist gelernte Landschaftsgärtnerin und hat an der TU Berlin Landschaftsplanung studiert. Ihre Aufgabengebiete bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Referat Freiraumplanung und Stadtgrün, sind die Grundsatzangelegenheiten öffentlicher Stadtbäume und die Leitung der Berliner Stadtbaumkampagne.