Klimaanpassung Evangelischer Georgen-Parochial-Friedhof II

Projektstatus

Umgesetzt/Fertiggestellt

Standort

Berlin, Friedrichshain-Kreuzberg

Projekttypologie

Bildungs-‚ Kultur- und Gesundheitseinrichtungen Büro- und Verwaltungsgebäude Grün- und Freizeitanlagen Grundstücksübergreifende Lösung

Maßnahme

Regenwassernutzung Urban Wetlands‚ Verdunstungsbeete oder künstliche Wasserflächen Versickerung

Planungsbeginn

10/2021

Fertigstellung

12/2022

Grundstücksfläche

125 259 + 6 800 qm

Versiegelte Fläche
(nach Fertigstellung)

3 795 + 5 000 qm

An die Kanalisation
angeschlossene Fläche

913 qm

Erlaubte Einleitmenge

10 l/(s x ha)

Kurzbeschreibung

In Kooperation mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und gefördert durch das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) führt der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte (EVFBS) seit März 2021 umfassende Untersuchungen zur Klimaanpassung durch und entwickelt Maßnahmenpakete, um die Friedhöfe im Bezirk widerstandsfähiger gegenüber Klimaveränderungen zu machen.

 

Im Zuge dessen entstand neben anderen Klimaanpassungsmaßnahmen, wie einer Drainagemulde zur Sammlung von Regenwasser von befahrenen Außenflächen, eine grundstücksübergreifende Lösung: das Regenwasser von einem benachbarten Bürogebäude wird in einer wettervorhersagengesteuerten 200 Kubikmeter Retentionszisterne gesammelt und dem Evangelischen Georgen-Parochial-Friedhof II zu Bewässerungszwecken zur Verfügung gestellt.

Anschließen der Pumpen (Vordruck- und Tauchpumpe)

200m³ Zisterne aus Beton

Regenwasser-Zentrale mit Wettersteuerung

Bohrung für Bodengutachten (Bodenprofil und Bestimmung Kf-Wert)

Wetterstation Visualisierung der Daten

Projektdetails

  • Anlass des Bauvorhabens war es, die schon stark vom Klimawandel beeinträchtigten Friedhöfe des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin Stadtmitte im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
  • Anhand einer Potenzialanalyse der friedhofseigenen Flächen, der Dachflächen in der Nachbarschaft sowie in Bezug auf Überflutungsgefährdung und Retentionsmöglichkeiten wurden in mehrere Maßnahmen entwickelt und Handlungsempfehlungen formuliert. Eine dieser Maßnahmen sollte exemplarisch umgesetzt werden.
  • Der jährliche Wasserbedarf für Bewässerung des Ev. Georgen-Parochial-Friedhofs liegt bei 2 177 Kubikmeter.  Dieser Bedarf wurde bisher komplett mit Trinkwasser abgedeckt. Die Dachflächen des Verwalterhauses und einige versiegelten Flächen waren an die Kanalisation angeschlossen. Die Größe des Friedhofs beträgt  125 259 Quadratmeter.
  • Der Friedhof liegt auf der Barnim-Hochfläche und die Lehmschichten haben oberflächennah kf-Werte  von 1×10-7 Meter pro Sekunde.
  • Ziel ist es, Trinkwasser für die Bewässerung der Gräber einzusparen und stattdessen Regenwasser zu verwenden. Es war gleich am Anfang klar, dass die eigenen versiegelten Flächen nicht ausreichend sind, um den benötigten Ertrag an Regenwasser decken zu können. Von einem ursprünglich eher kleinem Projekt ausgehend sollte exemplarisch eine Regenwasserzisterne von ca. 20 Kubikmeter mit einer Wettersteuerung installiert werden.

  • Da sowohl das Budget als auch der Regenertrag nicht ausreichend waren, haben wir uns in Nachbarschaftsverhandlungen begeben und konnten das Projekt deutlich vergrößern.

  • Entkopplung der versiegelten Flächen vom Regenwasser-/Schmutzwasserkanal, um das Regenwasser auf dem Friedhof zu nutzen und versickern zu lassen

  • Stärkung von Artenvielfalt durch die Erstellung einer wechselfeuchten Biotopfläche

  • Ein Monitoring von neu gepflanzten Bäumen, die mit Sensoren überwacht werden, sorgt dafür, dass Hitzestress und Trockenheit zu Bewässerungsmaßnahmen führen.  Über einen längeren Zeitraum werden weitere Daten erhoben (Forschung).

  • Maßnahmen, die die Erosion durch Starkregenereignisse auf den wassergebundenen Wegflächen reduzieren und gleichzeitig das Regenwasser der Vegetation zuführen

  • Betrachtung des Gefährdungspotenzials und der Retentionsmöglichkeiten auf den Friedhöfen bei Überflutung

  • Betrachtung der Nachbarschaftspotenziale aller Friedhöfe des Evangelischen Friedhofsverbands in Friedrichshain-Kreuzberg

Reinigung des Niederschlagswassers

 

  • Wir möchten zeigen, dass mit einer (im Vergleich zu den vom Deutschen Institut für Bautechnik zugelassenen Vorfiltern) relativ günstigen, wartungsarmen, naturnahen Lösung die Reinigung von Niederschlagswasser von Wegflächen, Parkplatzflächen und einem Betriebshof möglich ist. Dafür haben wir eine Drainagemulde geplant. Diese filtert das Niederschlagswasser über die biogene Zone einer Mulde; in einer darunter liegenden Drainagekiesschicht wird das  gereinigte Regenwasser abgefangen und in  die Zisterne geleitet. Der Aufbau ist in Anlehnung an eine klassische Pflanzenkläranlage entwickelt worden.
  • Das auf den Gründächern anfallende Regenwasser wird über einen mechanisch-biologischen Filter gereinigt, der in der Zisterne installiert wurde. Dieser Filter ist sehr wartungsarm gegenüber anderen Filtern.

 

Regenwasserzisterne mit Wettersteuerung

 

  • Das anfallende Regenwasser von Hof- und Dachflächen des benachbarten Neubaus an der Landsberger Allee wird in einer großen Zisterne unter dem Friedhofsparkplatz gesammelt. Eine nachbarschaftliche Vereinbarung macht es möglich, das Regenwasser lokal zu speichern und für die Bewässerung der Friedhofsvegetation zu nutzen. So wird das Regenwasser als Ressource genutzt, anstatt in die Kanalisation zu fließen. Zudem ersetzt es einen großen Teil des Frischwasserbedarfes, der sonst zur Bewässerung des Friedhofes notwendig ist. Dank einer Wettersteuerung kann die Zisternenkapazität von 187 m³ optimal ausgenutzt werden. Die Zisterne entleert sich vor angekündigten stärkeren Regenfällen automatisch und schafft Platz für neuen Regenabfluss.
  • Das auf den unterschiedlichen Auffangflächen abgeleitete Regenwasser wird in einer wettergesteuerten, über 200 Kubikmeter großen Zisterne gesammelt.  Das Regenwasser wird mit einer Vordruckpumpe zu einer Regenwasserzentrale  gepumpt. Mit 2 Abwasserpumpen wird überschüssiges Regenwasser zu einer Überlauffläche (wechselfeuchte Biotopfläche) gefördert. In der Regenwasserzentrale findet die DIN-konforme Trinkwassernachspeisung statt. Die Steuerung stellt das Betriebswasser für die Friedhofsbewässerung (Wasserbrunnen des Friedhofs und eine Wassertankstelle für Tankwagen) zur Verfügung.
  • Wettervorhersagen-basierte Steuerung: Ziel war, in dem Projekt eine „wettergesteuerte“ Regenwasserzisterne zu bauen, damit Erfahrungen mit den Wetterprognosen und den daraus resultierende Steuerungsentscheidungen gesammelt werden können. Dafür werden Daten von einem Wetterdienst ausgewertet, der Füllstand der Zisterne ermittelt und je nach prognostiziertem Regenereignis der benötigte Retentionsraum durch Abpumpen in der Zisterne geschaffen. Eine auf dem Dach der Regenzentrale installierte Wetterstation überprüft, inwieweit das prognostizierte Regenereignis tatsächlich eingetreten ist.

 

Wechselfeuchte Überlauffläche

 

  • Als Versickerungsfläche für überschüssiges Regenwasser wird eine wechselfeuchte Biotopfläche verwendet, die für das Projekt gebaut wurde. Die Ausformung des Geländes und unterschiedliche Substrattypen lassen mit der Zeit ein wechselfeuchtes Biotop entstehen. Mit der wechselfeuchten Biotopfläche soll die Artenvielfalt unterstützt werden. Ein Sensor ermittelt die Feuchtigkeit und bei zu starker Trockenheit wird die Biotopfläche mit Betriebswasser versorgt.
  • Die Biodiversität auf dem Friedhof wird weiter gestärkt und ein neuer, besonderer Ort entsteht.

 

Pflanzung klimaangepasster Baumarten

 

  • Sommerliche Hitzeperioden setzen den vorhandenen Friedhofsbäumen bereits jetzt zu. In Zukunft sollen möglichst widerstandsfähige Baumarten neu- oder nachgepflanzt werden. In einem Pilotversuch wurden Winterlinden gepflanzt. Sie bekamen mit besonderen Pflanzgruben optimale Startbedingungen. Mithilfe von Bodensensorik wird die Bodentemperatur und die Wasserspannung  überwacht, um eine bedarfsgerechte Wasserversorgung der Bäume zu ermöglichen.
  • Es wurden Sensoreneinheiten an 6 Bäumen installiert. Die Sensoren ermitteln die Bodentemperatur und die Bodenfeuchte in jeweils 30, 60 und 90 Zentimeter Tiefe. Es kann damit die Eindringtiefe der Regenereignisse gemessen werden und gleichzeitig können wir die Bäume schützen, wenn der Hitzestress bei anhaltender Trockenheit zu stark wird. Perspektivisch soll in diesen Fällen eine Warnmeldung ausgegeben werden. Es wird dann an einer Wassertankstelle (Betriebswasser) ein Wassertankfahrzeug befüllt, das gezielt zu den zu bewässernden Bäumen fährt.

 

Datenerfassung

 

  • Alle Systeme sind von uns über eine gemeinsame Datenerfassung verbunden worden, damit wir über die Zeit die Daten ermitteln und nachberechnen können.

 

Bodenverbesserung an bestehenden Baumstandorten

 

  • Entlang der Hauptallee wurde zudem der Wurzelraum der Bestandsbäume testweise mit natürlichen,  wasserspeichernden Hilfsstoffen angereichert. Die Bodensensorik zeigt künftig, wie gut die Bäume mit Wasser versorgt sind, und ermöglicht auch hier eine bedarfsgerechte Bewässerung.

 

Neue Querrinnen

 

  • Auf diesem Standort sind exemplarisch drei Querrinnen über die Wegeflächen installiert worden. Dadurch wird das Regenwasser zur Vegetation geleitet. Bisher wurde das Regenwasser über seitliche Rinnen den Hang abwärts in die  Kanalisation geleitet.
  • Neue Querrinnen an den Hauptwegen mit starkem Gefälle sollen helfen, den Oberflächenabfluss der Wege zu den angrenzenden Grünflächen zu leiten und so die Vegetation zusätzlich mit Wasser zu versorgen und die Erosion des Wegebelags bei stärkerem Regen zu verringern.
  • Die Finanzierung wurde zum Teil durch das Förderprogramm Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) und zum anderen Teil durch Gelder der Nachbarschaft (Bürogebäude) zur Verfügung gestellt.
  • Die Niederschlagsentgeltkosten bei dem Bürogebäude und dem Friedhof fallen erheblich geringer aus oder gar nicht erst an.
  • Zudem werden Trinkwasserkosten für die Bewässerung des Friedhofs eingespart.
  • Die Anlage ist durch die neuartige Wettervorhersagen-basierte Steuerung und die Sensoren an den Bäumen und der Installation der Wetterstation nicht im klassischen Sinne nur durch eine Amortisationsrechnung zu betrachten, da auch Maßnahmen für die Biodiversität und die Wissenschaft durchgeführt wurden. Das Projekt hatte das primäre Ziel der Klimafolgeanpassung und enthält Werte wie: CO2-Einsparung, Unterstützung der Artenvielfalt, Baumschutz, natürlicher Wasserhaushalt. Hierfür liegen uns keine Zahlen vor, die einen monetären Gegenwert in einer Amortisationsrechnung haben.
  • Ohne BEK-Fördermittel hätte ein solch ambitioniertes Projekt nicht stattfinden können.
  • Wir sind besonders stolz darauf, dass wir die Bauphase mit einer kleinen Verlängerung von 3 Monaten abschließen und den Kostenrahmen trotz der Teuerungsraten einhalten konnten. Wir haben das Projekt in einem Zeitraum von nur 15 Monaten einschließlich Potenzialanalyse, Konzepterstellung, Nachbarschaftsverhandlungen, Ausführungsplanung, Leistungsverzeichnis und Bau der Anlage fertiggestellt.
  • Für das Monitoring benötigen wir allerdings ein weiteres Förderprojekt, welches wir gern in Zusammenarbeit mit einer Universität durchführen möchten.

 

  • Regenwassernutzung und Trinkwassereinsparung für die Bewirtschaftung eines Friedhofs
  • Grundstücksübergreifende Lösung: Kooperation mit dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks, welches aufgrund von hoher Versiegelung und schlechten Versickerungswerten eingeschränkte Möglichkeiten zur grundstückseigenen Regenwasserbewirtschaftung gibt, während der Friedhof das zuvor zur Bewässerung verwendete Trinkwasser durch Regenwasser ersetzen kann.
  • Nachbarschaftsanbindung und vertragliche Verhandlungen: Nach intensiven Verhandlungen mit einem Generalbauunternehmen eines Nachbargebäudes konnte eine vertragliche nachbarschaftliche Vereinbarung unter Einbeziehung von Rechtsanwälten aufgesetzt und abgeschlossen werden. Eine besondere Herausforderung bestand darin, gleichzeitig die Verhandlungen zu führen, ein Konzept zu erstellen und die Kosten zu ermitteln, die in die Verhandlungen eingeflossen sind.
  • Die Wettervorhersagen-basiert gesteuerte, maßgefertigte Zisterne ist 200 Kubikmeter groß und wird gleichzeitig als Retentionsraum und zur Regenwassernutzung verwendet. Es war einer vereinfachte Baugenehmigung notwendig, da die Zisterne größer ist als 51 Kubikmeter.
  • Anlegen einer Drainagemulde, um das von Hof- und Parkplatzflächen abfließende Regenwasser zu sammeln, zu reinigen und für die Bewässerung zu nutzbar zu machen.
  • Sensoren für Bäume zum Monitoring von Hitzestress
  • Überlauffläche, gestaltet als wechselfeuchte Biotopfläche

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