Neubau Bürogebäude Am Postbahnhof

Projektstatus

in Planung oder Bau

Standort

Berlin, Friedrichshain-Kreuzberg

Projekttypologie

Büro- und Verwaltungsgebäude

Maßnahme

Dachbegrünung Regenwassernutzung

Planungsbeginn

04/2020

Fertigstellung

12/2024

Grundstücksfläche

7 800 qm

Versiegelte Fläche
(nach Fertigstellung)

6 400 qm

An die Kanalisation
angeschlossene Fläche

1 030 qm

Kurzbeschreibung

Innovatives Regenwasserbewirtschaftungskonzept für einen Büroneubau unter besonderer Ausnutzung vorhandener örtlicher Potenziale im Kontext denkmalpflegerischer Belange und Herstellung einer großflächigen, nutzbaren Dachlandschaft mit hoher Aufenthaltsqualität auf verschiedenen Ebenen

Die neugestalteten Terrassenflächen auf dem Viadukt kurz nach der Pflanzung

Das Viadukt nach Beräumung der Gleisanlagen

Einbau des 30 cm dicken Retentions- und Speichervolumens für bis zu 360 m3 Regenwasser auf dem abgedichteten Viadukt

Neuverlegung der historischen Gleisanlagen über den Retentionsboxen

Einbringung von Zisterne und Filterschacht vor dem Viadukt zur Speisung der automatischen Bewässerungsanlage

Das historische Eisenbahnviadukt zur Packkammer des Postbahnhofs vor Projektstart

Blick von der Staffelgeschossterrasse über das Viadukt nach Osten

Projektdetails

Der Alte Postbahnhof im Berliner Stadtteil Friedrichshain war von 1907 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein wichtiger Knotenpunkt des Bahnpostverkehrs in Preußen und dem östlichen Deutschland. Große Teile des Areals stehen heute unter Denkmalschutz. Bei der Umsetzung des Projekts „Am Postbahnhof 15“ wird der Denkmalschutz nicht nur berücksichtigt, sondern dominiert den gesamten Charakter des Vorhabens. Denn die Gestaltung des Neubaus greift – z. B. mit seiner Sichtbeton-Struktur – konzeptionell die baulichen und gestalterischen Elemente der benachbarten Postbahnhof-Altbauten auf und interpretiert diese in sehr eigenständiger Weise neu. Der Neubau versteht sich als bauliche Ergänzung des historischen Nachbarn und sucht in seiner Erscheinung eher eine Verbindung zu den zu integrierenden Bestandsgebäuden Viadukt und Wasserturm. Die Architekten haben mit diesem Verständnis eine sehr selbstbewusste eigene Handschrift entwickelt. Es ist gelungen, in der Form und in den Oberflächen einen engen Bezug zum umgebenden historischen Bestand herzustellen und damit einen deutlichen Kontrast zu den bereits in der unmittelbaren Umgebung errichteten oder im Bau befindlichen Neubauten zu setzen.

 

Der Denkmalschutz bietet neben Herausforderungen auch Potenziale. Eine architektonische Besonderheit des Projektes ist das denkmalgeschützte Eisenbahnviadukt, auf dem früher die Gleise verliefen. Dieses wurde in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde saniert und in den Neubau integriert. Die statischen Möglichkeiten erlauben hier die Herstellung einer dicken Retentionsebene auf einer Fläche von 1 200 Quadratmeter. Die Landschaftsarchitekten entwickelten eine großzügige Mieterterrasse mit intensiv begrünten Bereichen. Die originalen Gleisanlagen wurden in die Gestaltung integriert und in ihrer ursprünglichen Trassenführung wieder eingebaut.

 

Diese Retentionsebene sammelt das Regenwasser von den 3 000 Quadratmeter Dachflächen des Büroneubaus, von denen wiederum 2 700 Quadratmeter Retentionsdächer sind. Über dem 5. und 6. Obergeschoss entstehen so weitere großzügige, begrünte Dachterrassen mit hoher Aufenthaltsqualität. Nach den Vorgaben des Umweltamtes sind 50 Prozent der Dachfläche zu begrünen. Das Regenwasser wird zur Bewässerung der Vegetationsflächen genutzt. Aufgrund des großen Speichervolumens des Bahnviaduktes kann die Zisternengröße begrenzt werden.

 

Auf eine Versickerung des Niederschlagswassers und den damit verbundenen Abtransport und Austausch weiterer erheblicher Bodenmengen aufgrund der Altlastenproblematik durch die ehemalige historische Bahnnutzung des insgesamten 7 800 Quadratmeter großen Baugrundstücks kann somit vollständig verzichtet werden.

  • Schaffung von grünen und repräsentativen Freiflächen auf dem Viadukt und den Dachflächen eines bis zu 7 geschossigen und 200 m langen Büroneubaus mit hoher Aufenthaltsqualität für die Nutzung durch die Mieter.
  • Optimale Umsetzung der Berliner Strategien zu einer hitzeangepassten und wassersensiblen Stadtentwicklung
  • Wirtschaftliche und innovative Lösung der Regenwasserbewirtschaftung auf dem Grundstück durch Nutzung zur Bewässerung unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Potenziale
  • Nachhaltige, intensive Begrünung von mindestens 50 Prozent der Dachflächen
  • Einsparung von Trinkwasser für die Bewässerung der Vegetation
  • Entlastung der Kanalisation bei Starkregenereignissen
  • Verbesserung des Mikroklimas
  • Verbesserung der Artenvielfalt

 

Dieses Konzept ist ein Gewinn für alle: wirtschaftlich für den Bauherrn, funktional für die Nutzer und ökologisch nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes. Die intelligente Regenwasserbewirtschaftung entlastet das städtische Kanalsystem, fördert die Klimaanpassung und setzt eine nachhaltige Regenwassernutzung um.

Das Regenwasser wird auf allen Dachflächen gesammelt, so werden 91 Prozent des Gebäudefußabdrucks mit einem Retentionsaufbau realisiert.

 

Auf dem Hauptdach wurde eine 8,5 Zentimeter dicke Retentionsebene mit einem Daueranstau von 2 Zentimetern hergestellt. Das Staffelgeschoss mit großzügiger Terrasse und umlaufendem grünen Band sowie das Gründach über dem 2. Obergeschoss erhielten ebenfalls 8,5 Zentimeter dicke Retentionsebenen, jedoch ohne Daueranstau.

 

Um das Wasser kontrolliert zurückhalten, verdunsten oder bei Bedarf abfließen lassen zu können, wurden die oberen Flächen mit statischen Ablaufdrosseln versehen. Über Kapillarsäulen wird das gesammelte Niederschlagswasser in das darüber liegende Vlies transportiert, verteilt und anschließend vom Substrat aufgenommen und der Vegetation zur Verfügung gestellt.

 

Kaskadenartig wird das überschüssige Regenwasser von den einzelnen Dachflächen auf den 30 Zentimeter dicken Retentionsspeicher über dem Eisenbahnviadukt geleitet. Unterstützt wird das System auf dem Viadukt durch eine intelligent gesteuerte Drossel. Dieses System ist in der Lage vorherzusehen, wann starke Niederschläge eintreffen. Der Abfluss der Retentionsspeicher lässt sich entsprechend der Wettervorhersagen und des Wasserstands regulieren.

 

Auch das Befüllen der Zisterne über einen vorgeschalteten Reinigungsschacht wird durch diese smarte Drossel gesteuert. Aufgrund des großen Speichervolumens über dem Bahnviadukt kann die erforderliche Zisternengröße auf 30 Kubikmeter begrenzt werden. Diese Wassermenge wird für zwei Bewässerungszyklen aller Vegetationsflächen auf den Dächern und in den Freianlagen benötigt. Damit sollen mindestens 50 Prozent des Wasserbedarfs für die Bewässerung gedeckt werden. Dabei wird ein Bewässerungszeitraum von März bis November realisiert, um die hohen Verdunstungsraten durch den Wind auf den oberen Terrassen auszugleichen und den Retentionsspeicher über dem Eisenbahnviadukt vor der Winterperiode weitestgehend zu entlasten. Aufgrund der fehlenden Wasserentnahme für die Bewässerung wird ein hohes Speichervolumen für die Wintermonate angestrebt.

  • Wesentliche Kostenfaktoren des realisierten Konzeptes sind die Retentionselemente und die Zisterne einschließlich der Bewässerungstechnik. Dagegen konnten durch den Verzicht auf Versickerungsrigolen und den erforderlichen Austausch des mit Altlasten behafteten Bodens erhebliche Einsparungen erzielt werden.
  • Die Betriebskosten umfassen die Wartung der Bewässerungsanlagen einschließlich der Zisterne, die Pflege der Vegetationsflächen, den Servicevertrag für die smarte dynamische Drossel sowie die jährlichen Wartungskosten für die Retentionsflächen.
  • Die umgesetzten Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen wurden nicht gefördert.

Das Projekt nutzt die besonderen statischen Möglichkeiten des historischen Eisenbahnviadukts. Die 30 Zentimeter starke Retentionsebene kann bis zu 360 Kubikmeter Regenwasser zwischenspeichern. Weitere bis zu 220 Kubikmeter werden auf den Dachflächen des Neubaus zurückgehalten, nicht eingerechnet das in den Substraten der Vegetationsflächen gespeicherte Regenwasser. Ein zusätzlicher Überflutungsschutz wird durch einen Havarieüberlauf in die ebenerdigen Freiflächen gewährleistet. Dadurch kann für die gesamten Dachflächen des Neubaus auf einen Regenwasseranschluss verzichtet werden. Dies spart nicht nur die Niederschlagswassergebühr, sondern trägt auch zur Entlastung der Kanalisation bei.

 

Voraussetzung für die Umsetzung einer solchen Planung ist ein kompetenter, progressiver Auftraggeber, der offen ist für das Beschreiten innovativer Wege.

 

Problematisch ist weiterhin die unklare Situation der einschlägigen Regelwerke, die es erforderlich macht, die Auftraggeber auf Abweichungen hinzuweisen und sich die nicht regelkonforme Planung freigeben zu lassen. Das geht bei einem 0°-Dach los und setzt sich bis zur Kaskadenentwässerung von einem Dach auf ein tiefer liegendes fort. Hier besteht dringender Handlungsbedarf zur Erneuerung der Regelwerke.