Pflanzenkohle als Schwamm - Ein Feldversuch im Volkspark Jungfernheide

Projektstatus

Umgesetzt/Fertiggestellt

Standort

Berlin, Charlottenburg-Wilmersdorf

Projekttypologie

Grün- und Freizeitanlagen

Maßnahme

Versickerung Verdunstung

Planungsbeginn

06/2019

Fertigstellung

12/2023

Grundstücksfläche

3 ha

Kurzbeschreibung

Die zentrale Wiese in der Parkanlage ist unter stadtökologischen Gesichtspunkten von großer Bedeutung. Die stetige Nutzung, das Alter der Parkanlage und die Folgen des Klimawandels haben diese Rasenfläche in den letzten Jahren viel Kraft gekostet. Mit gezielten Maßnahmen (u. a. Einsatz von Biokohle) versuchen wir nun, die Resilienz der Wiese zu steigern und ihre Funktion als Kaltluftschneise wiederherzustellen. Große Mengen Regenwasser werden großflächig aufgenommen, verdunsten und versickern.

Projektdetails

Von 2021 bis Ende 2023 wurde der Volkspark Jungfernheide in mehreren Bauabschnitten aufwendig saniert. Das Ziel war, den Park darin zu stärken, seine stadtökologischen Funktionen zu erfüllen und die Aufenthaltsqualität für die Besuchenden weiter zu erhöhen. Insbesondere die 3 Hektar große zentrale Wiese hat eine wichtige Funktion als Kaltluftschneise für die angrenzenden einwohnerstarken Wohngebiete Siemensstadt und Paul‐Hertz‐Siedlung.

 

Diese Eigenschaft war durch die vergangenen Dürrejahre extrem eingeschränkt. Die Wiese fungierte nicht mehr als natürliche Klimaanlage. Wasser konnte nur noch langsam aufgenommen werden oder floss ungerichtet ab. Weite Teile der Wiese wiesen erhebliche Trockenschäden auf. Aufgrund des hohen Nutzungsdrucks und des Status als Gartendenkmal kamen nur innovative Sanierungsmaßnahmen infrage, um die Verdunstungs- und Kühlfunktion wiederherzustellen. Die Maßnahmen mussten unter laufender Nutzung und ohne Absperrungen erfolgen.

Übergeordnetes Ziel der nachhaltigen ökologischen Aufwertung der zentralen Wiesenfläche im Volkspark Jungfernheide war die Wiederherstellung der Kühlfunktion für die angrenzenden Stadtquartiere.

 

Weitere Ziele:

  • Die Wiesenfläche kann als natürliche Klimaanlage nur funktionieren, wenn sie ökologisch intakt und ganzjährig begrünt ist. Der Boden sollte daher eine hohe Wasseraufnahme- und Speicherfähigkeit wiedererlangen, indem der verfestigte Boden aufgelockert wird und nur natürliche Bodenverbesserungen vorgenommen werden. Dieser Effekt soll trotz des hohen Nutzungsdrucks und ohne zusätzliche Bewässerung langfristig erhalten bleiben.
  • Verbesserung des Wasser- und Nährstoffhaushalts, um die Wiese widerstandsfähiger gegen Belastungen zu machen
  • Nutzung von heimischen klimaresilienten Gräsern, um die Verdunstungsfunktion langfristig zu gewährleisten
  • Schaffung einer CO2-Senke durch den Einsatz von Biokohle. Dabei handelt es sich um ein Kohlenstoff-negatives Produkt, da es mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) speichert, als es bei der Herstellung freisetzt. Die Pflanzenkohle ist also in der Lage, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Durch die Pflanzenkohle wird CO2 aus der Luft dauerhaft im Boden gebunden und somit ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den fortschreitenden Klimawandel geleistet. Gleichzeitig hilft sie beim natürlichen Humusaufbau und stärkt die Pflanzen auf ganz vielfältige Art.

Es wurde ein mehrstufiges, nachhaltiges Schwammkonzept für die zentrale Wiese zusammen mit ExpertInnen erstellt und umgesetzt.

 

Auf der mehr als 3 Hektar großen Wiese wurden neuartige und innovative Methoden angewendet, die bis dato in dieser Größenordnung in Deutschland nicht umgesetzt wurden. Damit die Fläche schon im Frühjahr 2023 wieder in vollem Besitz ihrer Kräfte ist, wurde mit Biokohle aus Gehölzschnitt gearbeitet. Mit Biokohle gewährleisten wir einen deutlich verbesserten Wasserhaushalt. Biokohle ist sehr porös und bindet Regenwasser wie ein Schwamm, der bis zum Fünffachen seines Eigengewichts aufnehmen kann. Somit können auch Starkregenereignisse von der Wiese aufgenommen, gespeichert, versickert und verdunstet werden. Ein Effekt, der auf den ansonsten sandigen Berliner Böden selten vorkommt. Die Biokohle wurde überdies mit Mykorrhizapilzen beimpft. Diese Pilze dienen als Kommunikator zwischen den Rasenpflanzen und der Kohle. Die Hyphen der Pilze sorgen für den Austausch von Wasser und Nährstoffen zwischen der schwammporigen Kohle und den Rasenpflanzen. So wird der Speicher nutzbar und entfaltet seine volle Funktion. Überschüssiges Wasser kann gerichtet versickern und dem Grundwasser zugeführt werden.

 

Jede Tonne Pflanzenkohle speichert ca. 3,2 Tonnen CO₂. Da in die zentrale Wiese im Volkspark Jungfernheide rund 22 Tonnen Pflanzenkohle eingebracht werden, können auf diese Weise insgesamt ca. 70 Tonnen CO₂ dauerhaft im Boden fixiert werden. Ein schöner Nebeneffekt bei der Umsetzung unseres Schwammstadtkonzepts.

 

Außerdem verwendeten wir standortangepasste Gräser und unterstützende Rasenkräuter (Regiosaatgut). Diese Pflanzen sind hier heimisch und somit genetisch an das Umfeld von Berlin angepasst und kommen mit den Standortbedingungen (Sand und Trockenheit) viel besser klar als hochgezüchtete Rasengräser, welche immer bewässert und gedüngt werden müssen. Durch die Kombination dieser Eigenschaften können wir auf künstliche Bewässerung und Düngung auch in Zukunft verzichten. Somit schonen wir die wertvollen Trinkwasserreserven und schützen das Grundwasser.

Das Vorhaben „Nachhaltige ökologische Aufwertung des Naturraums Volkspark Jungfernheide“ in Charlottenburg-Nord“ wird mit rund 2,43 Millionen Euro im Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Landes Berlin (Förderkennzeichen 1239-B6-A).

 

Wir gehen davon aus, dass sich die Pflegekosten für die sanierte Rasenfläche nicht verändern. Die Wiese wird regelmäßig gemäht. Eine zusätzliche Bewässerung in Trockenperioden ist auch künftig nicht notwendig. Die Beschaffung und Verarbeitung von 22 Tonnen Biokohle erwiesen sich als größte Herausforderung. Derartig große Mengen wurden bislang in deutschen Grünflächen nicht verarbeitet. Auf eine Absperrung der Wiesenfläche für den Zeitraum der Sanierungsarbeiten wurde bewusst verzichtet.

 

Der mit seinen rund 146 Hektar zweitgrößte Park der Hauptstadt ist in den 1920er-Jahren nach Plänen des Gartendirektors Erwin Barth entstanden. Aufgrund seiner gartenkünstlerischen und freiraumpolitischen Bedeutung steht der Volkspark Jungfernheide als Gartendenkmal unter Denkmalschutz (Objekt‐Nr. 09046337). Wegen seines hohen Wertes für die Erhaltung eines intakten Naturhaushaltes und seines besonderen Landschaftsbildes ist der Volkspark zudem als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Teile der Parkanlage sind zudem gemäß dem Berliner Naturschutzgesetz als geschützte Biotope deklariert. Diese besondere Stellung des Volksparks Jungfernheide wird bei allen anstehenden Sanierungsmaßnahmen in besonderem Maße berücksichtigt.

 

Durch die Vielfalt der Maßnahmen und Funktionen ist diese Fläche in jedem Fall ein Rasen für die Zukunft, der zeigt, dass Regenwassernutzung auch auf vermeintlich einfachen Rasen- und Wiesenflächen gezielt verbessert werden kann.

 

Wir leisten mit den ökologischen Aufwertungsmaßnahmen der zentralen Wiesenfläche im Volkspark Jungfernheide einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung.

 

Dokumentation

Weiterführende Links

Projektseite