Schwammstadt Berlin: Regenwasser clever nutzen statt ableiten

Berlin ist auf dem Weg zur Schwammstadt. Regenwasser wird zunehmend nicht einfach über die Kanalisation abgeleitet, sondern vor Ort zurückgehalten. Dieses Wasser kann dann genutzt, verdunstet oder versickert werden – ähnlich wie bei einem Schwamm, der Wasser aufsaugt und bei Bedarf wieder abgibt. Die Grafik zeigt ausgewählte Lösungen.

Blick auf ein extensives Gründach mit Solaranlage

Extensives Gründach + Solar

Das Konzept kombiniert die Vorteile einer extensiven Dachbegrünung mit der Nutzung von Solarenergie. Auf extensiv begrünten Dächern, die mit pflegeleichten Pflanzen wie Sedum oder Moosen bedeckt sind, werden Solaranlagen installiert. Diese Kombination ermöglicht es, Regenwasser vor Ort zu speichern, das Mikroklima zu verbessern und gleichzeitig Energie einzusparen.

Smartes Dach, entstanden im Rahmen des Projektes RESILIO

Intensives Gründach

Intensive Dachbegrünungen können von einfachen Rasenflächen sowie Bepflanzungen mit Stauden und Sträuchern bis hin zu kompletten Gartenlandschaften reichen. Diese Dächer können als Aufenthaltsorte genutzt werden und bieten somit nicht nur ästhetische und ökologische Vorteile.

Fassadenbegrünung im Innenhof des Instituts für Physik in Berlin Adlershof

Bodengebundene Fassadenbegrünung mit Rankhilfen

Eine boden- oder erdgebundene Begrünung ist meist die kostengünstige Möglichkeit, um eine Fassade zu begrünen. Die Kletterpflanzen werden vor der Außenwand direkt in den Boden oder in große Tröge gepflanzt. Verwendet man hierfür Gerüstkletterpflanzen ist die Anbringung von Rankhilfen notwendig. Wachsen die Pflanzen direkt im Boden, braucht diese Art der Fassadenbegrünung in der Regel kein eigenes Bewässerungssystem.

Neubau mit Flächenversickerung

Muldenversickerung

Mulden sind begrünte Vertiefungen im Gelände, die Regenwasser kurzzeitig speichern und dann langsam versickern lassen. Die obere belebte Bodenschicht reinigt das wasser direkt von stofflichen Belastungen. Sie können größere Niederschlagsmengen zwischenspeichern und dadurch das Überflutungsrisiko reduzieren.

Prinzipschnitt gestaffelte Terrassen und Gründächer

Kaskadenlösung

Die Kaskadenlösung stellt ein mehrstufiges Prinzip der dezentralen Regewasserbewirtschaftung dar, bei dem Regenwasser schrittweise von einer Maßnahme zur nächsten weitergeleitet wird. Zum Beispiel kann das Regenwasser zunächst auf einem extensiven Gründach gesammelt werden, bevor es über ein intensives Gründach in eine Versickerungsmulde im Innenhof geleitet wird. Diese Lösung ermöglicht eine effiziente Nutzung und Speicherung von Regenwasser und entlastet die städtische Kanalisation.

Schema Regenwasserbewirtschaftung

Zisterne mit Überlaufrigole

Eine Zisterne mit Überlaufrigole dient der Speicherung und Nutzung von Regenwasser. Die Überlaufrigole ermöglicht die Versickerung überschüssigen Wassers. Eine solche Lösung kann auch für grundstücksübergreifende Lösungen (GÜL) genutzt werden, wobei Regenwasser von einem Grundstück, welches es nicht benötigt, in eine Zisterne auf einem benachbarten Grundstück geleitet wird. Das gespeicherte Wasser kann dann z.B. für die Bewässerung von Grünflächen verwendet werden und trägt so zur Entlastung der Kanalisation bei.

Entsiegelung von Flächen

Entsiegelung

Dichtes Pflaster, Asphalt und Beton hindern Regenwasser daran, im Boden zu versickern. Einige solcher versiegelten Flächen lassen sich entsiegeln. Hierbei wir zwischen Teil- und Vollentsiegelung unterschieden. Diese Maßnahme trägt zur Reduktion von Oberflächenabfluss und Überflutungen bei und fördert die Verbesserung der Bodenqualität und des Mikroklimas. Im öffentlichen Straßenland ist die Stadt Berlin dafür verantwortlich, Maßnahmen zu ergreifen.

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Grüner Gully

Der Grüne Gulli ist eine innovative Lösung zur Entwässerung von Regenwasser im städtischen Raum. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus einem normalen Straßengulli und einer Pflanzzone, die Regenwasser aufnimmt und im Boden speichert. Diese Maßnahme fördert die natürliche Versickerung und reduziert die Belastung des Abwassersystems, während sie gleichzeitig zur Begrünung und Verbesserung des Stadtbildes beiträgt.

Wassergebundene Wegedecke in den Gärten der Welt Berlin-Marzahn als Beispiel für teildruchlässige Flächen

Wassergebundene Wegedecke

Wassergebundene Wegedecken bestehen aus einem durchlässigen Belag, der es Regenwasser ermöglicht, in den Boden zu versickern. Diese Flächen finden häufig Anwendung unter Fahrradständern, Parkplätzen oder Fußwegen und tragen dazu bei, die Versiegelung im städtischen Raum zu verringern. Durch die Versickerung des Regenwassers wird die lokale Wasserbewirtschaftung unterstützt und die Gefahr von Überschwemmungen reduziert.

Blick in das Mischwasser-Kanalsystem

Berliner Kanalsystem

In Berlin werden zwei Kanalsysteme genutzt - das Mischsystem, das Schmutz- und Regenwasser zusammen in die Klärwerke leitet, und das Trennsystem, welches Regenwasser separat abführt. Im Mischsystem führt starker Regen häufig zu Überläufen, bei denen verdünntes Abwasser in die Gewässer gelangt. Das Trennsystem kommt hauptsächlich in den Außenbezirken zum Einsatz. Um das Kanalnetz zu entlasten, wird verstärkt auf dezentrale Regenwasserbewirtschaftung gesetzt.

vergrößerte Baumscheibe mit Bauzäunen geschützt

Vergrößerte Baumscheiben

Vergrößerte Baumscheiben bieten den Bäumen mehr Raum für Wurzelwachstum und ermöglichen eine bessere Speicherung von Regenwasser. Dies trägt auch dazu bei, städtische Hitzeinseln zu verringern und die Luftqualität zu verbessern.

Wasserdurchlässiges Rasenfugenpflaster auf PKW-Stellfläche. Der Regen, der dort nicht versickert, kann durch Öffnungen zwischen den Bordsteinen in angrenzende Grünflächen fließen.

Teildurchlässige Flächenbefestigung

Wenn Flächen aufgrund ihrer Nutzungsart befestigt werden müssen, können oft sogenannte teildurchlässige Flächenbefestigungen zum Einsatz kommen. Damit kann zumindest ein Teil des Regenwassers versickern. In Berlin sind diese für die Entwässerung von öffentlichen Straßen bisher nicht zugelassen.

Berlins erste Gehweg-Regentonne

Regentonne im öffentlichen Raum

Regentonnen sind eine einfache, aber effektive Maßnahme zur Sammlung von Regenwasser. Das gesammelte Wasser kann für die Bewässerung von Grünflächen, Gärten oder öffentlichen Blumenbeeten verwendet werden. In einigen Berliner Bezirken kann eine Sondergenehmigung für das Aufstellen von Regentonnen im öffentlichen Raum beantragt werden.

Extensive Dachbegrünung auf dem LIVING Berlin.

Extensives Gründach

Extensive Dachbegrünungen bestehen aus niedrigen Gewächsen wie Moosen, Sukkulenten, Kräutern und Gräsern. Sie zeichen sich durch eine geringe Aufbauhöhe und einen minimalen Pflegebedarf aus.

Regenwassernutzung in einer Groß-Wäscherei als Beispiel für die Nutzung in Gewerbebetrieben.

Regenwassernutzung im Gebäude

Regenwasser kann als sogenanntes Betriebswasser verwendet werden, also für Anwendungen, bei denen keine Trinkwasserqualität nötig ist, wie beispielsweise bei der Toilettenspülung, der Nutzung der Waschmaschine oder der Gartenbewässerung. So kann der Trinkwasserverbrauch reduziert werden.

Selbstklimmer in einem Innenhof in Berlin

Bodengebundene Fassadenbegründung (Selbstklimmer)

Bodengebundene Fassadenbegrünung im Bestand nutzt Kletterpflanzen, die direkt im Boden an der Fassade eines Gebäudes wachsen. Diese Pflanzen helfen, Regenwasser aufzufangen und zu speichern, verbessern die Luftqualität und bieten natürliche Kühlung für die Gebäude. Die Verwendung selbstklimmender Pflanzen ohne zusätzlich notwendige Kletterhilfen bietet dabei eine einfache und kostengünstige Begrünungslösung.

Begrüntes Gleisbett einer Straßenbahn

Grünes Gleisbett

Das grüne Gleisbett ist eine innovative Lösung für den Bahn- und Straßenverkehr, bei der das Gleisbett mit vegetativen Systemen begrünt wird. Diese Maßnahme fördert die Versickerung von Regenwasser, reduziert die Belastung von Abwassersystemen und verbessert das Mikroklima entlang von Verkehrswegen. Gleichzeitig trägt das grüne Gleisbett zur Förderung der Biodiversität bei und verbessert das Stadtbild.

KLIMAWANDEL UND STÄDTISCHES WACHSTUM

Warum Berlin zur Schwammstadt werden muss

Mit der Schwammstadt reagiert Berlin auf die Folgen des Klimawandels. Heute schon erleben wir mehr Hitzetage, die ein Risiko für die Gesundheit des Menschen sind. Längere Dürren können Bäume und Pflanzen stressen und häufigere Starkregen die Kanalisation überlasten, Gewässer verunreinigen und zu Überflutungen in der Stadt führen.

Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Ein Zuviel oder Zuwenig an Regen wird Berlin in Zukunft noch stärker prägen. Und durch die zunehmende Versiegelung von Flächen in Folge städtischen Wachstums werden die Probleme sogar noch verschärft.

Überflutung in Folge von Starkregen in Berlin 2017 - die Schwammstadt hilft, die Stadt resilienter zu machen. shutterstock / christianthiel.net
Platz mit Wasserspiel vor dem Alten Museum in Berlin - die Schwammstadt schafft Erholungsorte. shutterstock / T.W. van Urk
Tote Fische in der Berliner Spree - Die Schwammstadt bietet Lösungsansätze um die Eutrophierung der urbanen Gewässer einzudämmen. Deutscher Angelfischerverband e.V., Clemens Wildt
Plakat an Baumstamm - Aufforderung zum Gießen der Bäume. Die Schwammstadt hilft dabei. IMAGO / Frank Sorge

Überflutungsgefahr durch Starkregen

Starkregen kann durch die Berliner Kanalisation nicht ausreichend abgeführt werden und verwandelt Verkehrswege in gefährliche Wasserflächen. Solche Überflutungen bedrohen nicht nur Gebäude und Infrastruktur, sondern auch die Sicherheit der Menschen. Als Schwammstadt kann Berlin Regenwasser speichern.

1.850
Starkregen in Berlin und Brandenburg zwischen 2002 und 2022
85.000
Schäden wurden durch diese Ereignisse hervorgerufen

Gesundheitsrisiken durch Hitze und Luftverschmutzung

Versiegelte Flächen führen zu Hitze. Darunter kann die Gesundheit leiden, besonders von Kindern, älteren und chronisch kranken Menschen. Bäume und Grünflächen spenden Schatten und kühlen mittels Verdunstung die Umgebung. Eine höhere Luftfeuchtigkeit bindet Luftschadstoffe. So lässt sich die Lebensqualität in der Stadt verbessern.

23
Hitzetage 2022 in Berlin
416
hitzebedingte Todesfälle als Folge

Überlastete Kanalisation und verschmutze Gewässer

Bei innerstädtischem Regen kommt es schnell zu Mischwasserüberläufen: Unbehandeltes Abwasser aus der Mischwasserkanalisation läuft in die Berliner Oberflächengewässer. Es kommt zu Verunreinigungen und vermehrtem Fischsterben. Als Schwammstadt kann Berlin Regenwasser speichern und die Kanalisation entlasten.

30-60
Tage im Jahr, an denen Mischwasser in Berliner Oberflächengewässer läuft
1,36
Mio. Kubikmeter waren das in 2024

Trockenstress für Stadtgrün und sinkende Grundwasserspiegel

Anhaltende Trockenheit bei steigender Verdunstung und sinkende Grundwasserspiegel gefährden nicht nur das Stadtgrün, sondern auch die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser in unserer Stadt. Als Schwammstadt kann Berlin Regenwasser speichern, Bäume und Pflanzen versorgen sowie Grundwasserspeicher füllen.

6.000
Stadtbäume werden in Berlin jährlich gefällt, häufig als Folge von Trockenstress
20-75
Prozent prognostizierter Rückgang der Grundwasser-Neubildung in Berlin bis 2050

FÜR MENSCH UND NATUR

Vorteile der Schwammstadt

Die Schwammstadt bietet Berlin zahlreiche Vorteile: Sie verbessert Stadtklima und Stadtökologie, schützt uns vor Hitze und Überflutungen und sorgt für mehr grüne und blaue Oasen in unserem Alltag.

Grünes Klassenzimmer - Spiel- und Retentionsfunktion. Schwammstadt in der Schule Angenehmes Stadtklima an heißen Tagen
Egal ob mehr Bäume im Straßenraum oder entsiegelte und begrünte Schulhöfe: Mehr Stadtgrün kühlt die Stadt und trägt damit zum Erhalt der Lebensqualität bei.
Beispiel Grundschule St. Ursula
begrünte Ecke neben Straße Lebensräume für Tiere und Pflanzen
Durch mehr Grün schaffen wir nicht nur wertvolle Lebensräume und fördern die Biodiversität, sondern tragen auch zu einem lebendigeren Stadtbild bei.
Beispiel Graefekiez
(Regen-)Taufe für die neu bepflanzte Mulde Mehr Grundwasser durch Versickerung
Bepflanzte Versickerungsmulden speichern und versickern Regenwasser und tragen damit zur Grundwasserneubildung bei.
Kajakruderer im Berliner Landwehrkanal Saubere Gewässer für alle
Durch Maßnahmen zur Reduktion von Stoffeinträgen und Mischwasserüberläufen können wir die Wasserqualität der Berliner Oberflächengewässer verbessern.
Esther Knoblich - Geschäftsführerin Förderverein Freie Waldorfschule am Prenzlauer Berg - im Schwammstadt Portrait

»Regenwasser soll für die Kinder sichtbar und erlebbar bleiben und nicht sofort unter der Erde verschwinden.«

Esther Knoblich Geschäftsführerin Förderverein Freie Waldorfschule am Prenzlauer Berg
Claus Lutterbeck - Dachgarten Friedenau

»Ich gärtnere für mein Leben gern.«

Claus Lutterbeck Journalist im Ruhestand und begeisterter Dachgärtner
Susanne Moll - Mitarbeiterin bei hoch C Landschaftsarchitekten im Schwammstadt Portrait

»Alles Gute kommt von oben. Man muss es nur zu nutzen wissen.«

Susanne Moll hochC Landschaftsarchitekten
Birgit Eberhardt von der GSW Sigmaringen im Schwammstadt - Portrait

»Es ist im Grunde absurd, Flächen zu versiegeln und große Regenwasserrohre zu verlegen, wenn es auch dezentral geht.«

Birgid Eberhardt GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg mbH

POLITISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

Gute Voraussetzungen für die Schwammstadt

Berlin soll Schwammstadt werden. Verwaltungen, Wohnungsunternehmen, Immobilieneigentümer:innen, Planer:innen und Bürger:innen: Sie alle sind aufgefordert, Regenwasser nicht mehr über die Kanalisation abzuleiten, sondern vor Ort zu bewirtschaften – zum Wohle der Stadt, ihrer Bewohner:innen und ihrer Natur. Um sie dabei zu unterstützen, hat das Land Berlin wichtige Weichen gestellt.

Der Umbau Berlins zur Schwammstadt ist seit 2016 fester Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen des Berliner Senats. Mit Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung wie Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung von Flächen und der Speicherung, Versickerung, Verdunstung und Nutzung von Regenwasser sollen die Kanalisation entlastet, der Gewässerschutz gestärkt und den Herausforderungen des Klimawandels begegnet werden.

Wer neu baut oder bestehende Gebäude grundhaft saniert, darf das anfallende Regenwasser nur noch in begründeten Ausnahmefällen in die Kanalisation einleiten. Die Bewirtschaftung auf dem Grundstück ist die Regel. Diese Vorgabe gilt seit 2018 und ist nachzulesen in der„Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin“, kurz: BReWa-BE.

Mit dem „Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung” (BENE II) und “GründachPLUS” stellt das Land Berlin in großem Umfang Fördergelder für Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung bereit. Auch über Programme des Bundes und der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW können Mittel beantragt werden.

Berliner Wasserbetriebe

Unterstützung durch die Regenwasseragentur

Die Berliner Regenwasseragentur ist 2018 als gemeinsame Initiative des Landes Berlin und der Berliner Wasserbetriebe gegründet worden. Sie sensibilisiert für die Notwendigkeit der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, informiert über und berät zu Fragen der Planung und Umsetzung, vernetzt und organisiert Weiterbildungs- und Dialogangebote. Ihre Services richten sich an Verwaltungen, Wohnungsunternehmen, Immobilieneigentümer:innen, Planer:innen und Bürger:innen in Berlin.