Einfach und günstig: Grüne Gullys

Das Straßen- und Grünflächenamt Mitte hat 2024 die ersten fünf sogenannten Grünen Gullys fertiggestellt. Leiter Daniel Kyek erläutert, was sie so besonders macht.

13.03.2025

Niedrigschwellige Lösung Straßenentwässerung

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte Ahnen&Enkel/Silke Reents

Herr Kyek, was ist ein Grüner Gully?

Ein Grüner Straßenablauf, wie es in der Fachsprache heißt, ist eine Versickerungsfläche um einen bestehenden Ablauf herum. In der Singerstraße haben wir dafür Beton und Asphalt um den Ablauf herum aufgebrochen und das Erdreich bis zu einer Tiefe von 50 bis 60 Zentimetern durch durchlässigen Boden ersetzt: Oberhalb der natürlichen Sandschicht liegt eine 45 Zentimeter dicke Substrat- und darüber eine zehn Zentimeter starke Pflanzschicht mit extrem trockenresistenten Gewächsen. In diesem Fall sind das rötliches Federgras und gelb blühender Fünffingerstrauch.

 

Die Grünen Gullys sind das Herzstück der Entsiegelungsstrategie des Bezirks. Was macht sie so besonders?

Unsere Strategie zielt darauf ab, den Stadtraum abzukühlen, für mehr Grün zu sorgen und das vorhandene Grün besser zu versorgen. Wenn man im Bestand Flächen entsiegeln und von der Kanalisation abkoppeln will, ist das im Bereich der Straßenabläufe am effizientesten. Das Regenwasser wird ja ohnehin dorthin geleitet. Wenn wir nicht wollen, dass es in der Kanalisation verschwindet, müssen wir es vorher irgendwie ins Grün befördern. Da lag die Lösungen nah, das direkt um den Straßenablauf herum zu schaffen. Das Wasser, das hier versickert und verdunstet, kühlt in heißen Sommern zugleich die Umgebung. Auch die Bäume profitieren davon, denn ihr weitläufiges Wurzelwerk orientiert sich immer in Richtung der Wasserquellen.

Unsere Strategie zielt darauf ab, den Stadtraum abzukühlen, für mehr Grün zu sorgen und das vorhandene Grün besser zu versorgen.

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Wie viel Fläche mussten Sie entsiegeln, um was zu erreichen?

Für die insgesamt fünf Grünen Gullys in der Singerstraße mussten wir nur fünf Prozent der Straßenfläche entsiegeln und es gelangen trotzdem 80 Prozent des anfallenden Regenwassers in den Boden und nicht in die Kanalisation. Für eine komplette Versickerung bräuchten wir 20 bis 30 Prozent der vorhandenen Fläche. Das ist in einem stark verdichteten Stadtraum, wo es viel Konkurrenz um Flächen gibt, schwer zu vermitteln. Außerdem sind im Bereich um einen Straßenablauf wegen des vorhandenen leichten Gefälles keine Höhenanpassungen nötig. Wir erzielen also mit einem relativ kleinen und einfach umzusetzenden Eingriff einen großen Effekt.

 

Wie haben Sie diese 80 Prozent ermittelt?

Anfangs war das eher ein Bauchgefühl. Um herauszufinden, ob wir damit richtig liegen, haben wir die Regenwasseragentur um eine fachliche Bewertung gebeten. Mithilfe von Modellrechnungen und Simulationen für unterschiedlich tiefe Versickerungsflächen hat sie unsere Annahmen bestätigt. Die Ergebnisse haben uns darin bestärkt, das Thema konkret anzugehen.

5 %

der Straßenfläche wurde entsiegelt

80 %

des anfallenden Regenwassers gelangt in den Boden und nicht in die Kanalisation

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte

Und wie groß ist so ein Grüner Gully?

Jeder von ihnen nimmt eine Fläche von etwa 25 Quadratmetern ein, das entspricht ungefähr zwei Parkplätzen. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, war aber in der Singerstraße insofern kein Problem, als dass wir diesen Teil der Straße ohnehin zuvor für Autos gesperrt hatten. Hier befindet sich nämlich eine Schule.

 

Welche vorbereitenden Maßnahmen mussten Sie durchführen?

Die Grünen Gullys sind keine Versickerungsanlage im Sinne des Abwasserrechts und aus diesem Grund nicht genehmigungspflichtig. Nichtsdestotrotz sind uns natürlich Boden- und Wasserschutz wichtig. Deswegen haben wir uns mit den zuständigen Behörden abgestimmt. Um sicher zu sein, dass das Wasser schadlos versickert, haben wir in der Singerstraße außerdem Bodenproben durchgeführt.

Die Grünen Gullys sind keine Versickerungsanlage im Sinne des Abwasserrechts und aus diesem Grund nicht genehmigungspflichtig.

Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte Ahnen&Enkel/Silke Reents
Grüner Gully in der Singerstraße in Berlin Mitte: Straßenseitiger Zulauf Ahnen&Enkel/Silke Reents

Werden nun überall Grüne Gullys entstehen?

Wir planen die Grünen Gullys nur in Nebenstraßen. In der Regel können wir davon ausgehen, dass dort einzelne Bodenstichproben ausreichen – es sei denn, genau dort befand sich früher mal ein Industriegebiet. Das Regenwasser wird zwar durch die oberste Bodenschicht gefiltert, an Hauptverkehrsstraßen ist es dennoch zu belastet, um zu versickern.

 

Was ist mit unterirdischen Leitungen?

In den 50 bis 60 Zentimetern Boden, die wir ausheben, sollten zumindest ordnungsgemäß keine Leitungen liegen. Berlin ist aber teilweise sehr dynamisch gewachsen, gerade was die Leitungssysteme angeht. Deshalb können in diesen Bereichen hin und wieder Telekommunikations- und Stromleitungen liegen. Für die Versickerung selbst ist das kein Problem. Die Herausforderung besteht eher darin, die Leitungen beim Aushub nicht zu beschädigen.

 

Was hat die Umsetzung gekostet?

Ein Grüner Gully hat inklusive Aufbruch des Bodens, Abtransport und Entsorgung des Schutts, Bepflanzung und Anwuchspflege knapp 7.000 Euro brutto gekostet. Das ist deutlich günstiger als alle anderen Maßnahmen, mit denen man so viel Regenwasser abkoppeln könnte. Und vor allem kostet es deutlich weniger, direkt am Anfang des Systems anzusetzen als am Ende, also Regenwasser gar nicht erst in die Kanalisation zu leiten als zum Beispiel Stauraumkanäle als Zwischenspeicher für Regenwasser zu bauen.

 

7.000 €

brutto hat ein Grüner Gully inklusive Aufbruch des Bodens, Abtransport und Entsorgung des Schutts, Bepflanzung und Anwuchspflege gekostet

50

weitere Grüne Straßenabläufe sind 2025 geplant

Wie haben Sie die Grünen Gullys finanziert?

Wir haben dafür Mittel aus dem Berliner Sonderprogramm „Maßnahmen für die Stadtverschönerung“ genutzt. Das Programm existiert in der Form heute nicht mehr. Aber es gibt in fast allen Sanierungs-und Stadterneuerungsgebieten Mittel für Klimaanpassung.

 

Wie geht es weiter?

Wir planen für dieses Jahr mindestens 50 weitere Grüne Straßenabläufe. Wo genau, steht noch nicht endgültig fest. Wir verfolgen grundsätzlich einen integrierten Ansatz. Das heißt, wir schauen, wo ohnehin die Straße aufgemacht wird und ob an der Stelle ein Grüner Gully integriert werden kann. Das sind oft Projekte, die relativ spontan entstehen. Deshalb bereiten wir derzeit eine Musterplanung vor, die wir den Leitungsunternehmen und den Bauunterhaltern zur Verfügung stellen können. Es muss sich dann also niemand was Neues überlegen und es bedarf nur einer kurzen Abstimmung. Die Grünen Gullys werden – sowohl was Planung als auch die Ausführung angeht – die Bauzeit nicht nennenswert verlängern.

Die Grünen Gullys werden – sowohl was Planung als auch die Ausführung angeht – die Bauzeit nicht nennenswert verlängern.