Die Zielrichtung ist klar: Im Juli 2017 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, dass zukünftig Gebäude- und Grundstücksflächen, von denen Regenwasser in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wird, jährlich um ein Prozent abgekoppelt werden. Jetzt geht es in die Umsetzungsphase. Um die Diskussion über Ansätze und Strategien zu befördern, initiierte die Regenwasseragentur einen Fachdialog. Die Auftaktveranstaltung fand am 11. Oktober 2018 in den Räumen der Berliner Wasserbetriebe statt.
Abkopplung als Gemeinschaftsaufgabe
Rund 60 Fachgäste von der Berliner Landes- und Bezirksverwaltung, den Berliner Wasserbetrieben, aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur, Landschaftsarchitektur, Siedlungswasserwirtschaft, Garten- und Landschaftsbau, aus der Immobilienbranche sowie aus Forschung und Zivilgesellschaft waren der Einladung gefolgt. Einig waren sich die Teilnehmer:innen gleich zu Beginn darin, dass der dezentrale Umgang mit Regenwasser eine Gemeinschaftsaufgabe aller Beteiligten ist.
Wie wichtig insbesondere lokales Commitment und der Mut zu konkreten Zielvorgaben sind, unterstrich Gastredner Michael Becker, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft bei der Emschergenossenschaft. In seinem Vortrag schilderte er anschaulich, wie in der Emscherregion bereits seit den 1990er-Jahren die Idee der Abkopplung in die Praxis umgesetzt wird. Hier hatte man sich 2005, ähnlich wie in Berlin, auf die jährliche Senkung um 1 Prozent – oder genauer: 15 Prozent in 15 Jahren – verständigt.
Der Mut hat sich nach Ansicht des (Regen-)Wasserexperten bereits gelohnt, denn der aktuelle Stand bleibt nur leicht hinter dieser Vorgabe zurück. Über 5.000 Projekte wurden bislang umgesetzt. Der Fachmann hob zudem hervor, wie wichtig persönliches Engagement und personelle Ressourcen seien, um den Abkopplungsprozess erfolgreich zu gestalten.
Über 5.000 Abkopplungs-Projekte wurden bislang in der Emscherregion umgesetzt.
Gäste sorgen für Ideenregen
Inspiriert durch diesen Erfahrungsbericht hatten die Teilnehmenden zur Halbzeit Gelegenheit, ihre Blickwinkel und Ideen in einem Workshop einzubringen. In Kleingruppen arbeiteten die Gäste heraus, welche Themen vordringlich sind und welche Beteiligten es einzubeziehen gilt. Diskutiert wurde auch darüber, welche Hindernisse überwunden werden müssen und welche Lösungswege zur Verfügung stehen oder noch erarbeitet werden sollten.
Nach angeregten Diskussionen präsentierten die Gruppen eine ganze Reihe spannender Ansätze, etwa Karten bzw. entsprechende Tools zu entwickeln. Diese könnten Potenziale zur Abkopplung räumlich darstellen oder dabei helfen, komplexe Anforderungen zu bündeln und einen guten Überblick über die Machbarkeit von Maßnahmen zu liefern. Dies ist nicht zuletzt auch wichtig für die frühzeitige Integration in städtische Planungsprozesse.
Mit Blick auf eine verbesserte Kommunikation aller Beteiligten wurde zudem eine verantwortliche Koordinationsstelle vorgeschlagen. Gute Einfälle gab es auch zu den Themen Finanzierung und Betrieb, hier etwa der Gedanke, bei der Umsetzung von Maßnahmen auch eigentumsübergreifend zu denken und neue Betriebsmodelle zu erproben.
Kanalisation entlasten: Abkopplung
Die Abkopplung von Flächen in Bestandsgebieten ist ein wichtiger Beitrag zur Annäherung an den natürlichen Wasserhaushalt. Denn angesichts einer zunehmenden Versiegelung städtischer Oberflächen landet immer mehr Regenwasser in der Kanalisation. Insbesondere im Bereich der Mischwasserkanäle, etwa innerhalb des S-Bahn-Rings, führt dies zu Problemen. Diese laufen bei Starkregen bisweilen über, wodurch die Berliner Gewässer belastet und der städtische Raum überflutet werden können. Bei der Abkopplung werden Gebäude- und Grundstücksflächen von der Kanalisation getrennt und so die Menge des eingeleiteten Regenwassers reduziert.
Das Wasser verdunstet, versickert, wird gespeichert oder anderweitig genutzt. Die alternative Bewirtschaftung entlastet nicht nur die Kanalisation, sondern hat weitere positive Effekte. Neben der Verdunstungskühlung wird die Biodiversität erhöht. Durch mehr Grün verbessert sich zudem die Lebensqualität in der Stadt, ebenso gibt es positive monetäre Effekte. Vor allem hilft ein konsequenter, naturnaher Umgang mit Regenwasser dabei, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Detaillierte Dokumentation und positives Resümee
Die wichtigsten Resultate hat das Team der gastgebenden Regenwasseragentur in einer 31-seitigen Dokumentation zusammengefasst. Die Zusammenfassung enthält auch Momentaufnahmen, etwa aus der Arbeitsphase in Workshops. Zudem fasst sie Statements und Beweggründe zusammen und schließt mit Reflexion sowie einem Ausblick. Die Dokumentation steht als PDF-Download zur allgemeinen Verfügung.
Ein überaus positives Fazit der Auftaktveranstaltung zog auch Dr. Darla Nickel. »Es war für uns spannend zu erleben, wie sich Teilnehmende aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Denkrichtungen in wichtigen Fragen schnell einig waren«, sagte die Leiterin der Regenwasseragentur. »Beim Thema Abkopplung reden wir längst nicht mehr über ein ,ob’, sondern über ein sehr dezidiertes und strategisches ,wie’. Die technischen Lösungen für eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung sind bereits vorhanden. Was wir jetzt brauchen, sind konkrete Schritte, um in die Umsetzung zu kommen. Ich bin sicher, dass auch wir in Berlin dazu genug Mut mitbringen.«
»Beim Thema Abkopplung reden wir längst nicht mehr über ein ,ob’, sondern über ein sehr dezidiertes und strategisches ,wie’. «Dr. Darla Nickel, Leiterin Berliner Regenwasseragentur