Kosten vermeiden
Abkopplung lohnt sich

Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Kanalsystem zu entlasten und Berlin widerstandsfähiger gegen Wetterextreme zu machen. Hier sind auch Besitzer von Grund und Boden gefragt. Warum sich Abkopplung für sie bezahlt macht und was sie konkret tun können, erklärt Dr. Carin Sieker von den Berliner Wasserbetrieben.

21. März 2019
Bild vom 2. Berliner Flussbad Pokal 2016
Schwimmerinnen und Schwimmer des 2. Berliner Flussbad Pokals am 03.07.2016 im Kupfergraben

Viele Städte besitzen, historisch bedingt und meistens im Innenstadtbereich, eine Mischkanalisation. Hierhin wird der Niederschlagswasserabfluss von Dächern, Straßen oder Plätzen zusammen mit dem häuslichen und gewerblichen Abwasser in einem Kanalsystem abgeleitet. Allerdings ist die Kapazität des Mischsystems mit den nachgeschalteten Kläranlagen systembedingt begrenzt. Bei intensiverem Regen läuft Mischwasser in die Gewässer über.

In Berlin passierte das im Beobachtungszeitraum von 2007 bis 2017 an 33 bis 60 Tagen pro Jahr. Solche Mischwasserüberläufe haben sehr negative Auswirkungen auf die Gewässer. Sie verursachen Fischsterben, stellen hygienische Risiken für die Berliner Badegewässer dar und sind auch aus ästhetischen Gesichtspunkten für unsere Stadt am Wasser problematisch. Die Gewässer in und um Berlin sind nicht zuletzt Erholungsraum für 3,4 Millionen Berlinerinnen und Berliner.

»Zentrale Abwassersysteme können nicht problemlos mitwachsen. Bereits heute ist das Mischsystem bei Regen weitgehend ausgelastet.«
Dr. Carin Sieker

Dr. Carin Sieker

Die Ingenieurin ist seit 20 Jahren bei den Berliner Wasserbetrieben beschäftigt. Sie ist Leiterin des Bereichs Strategien und Konzepte für die Abwasserentsorgung. Unter anderem fallen auch neue Ansätze und Vorgehensweisen für ein verbessertes Regenwassermanagement in ihren Aufgabenbereich.

Herausforderungen wachsende Stadt und Klimawandel meistern

Die wachsende Stadt und der Klimawandel stellen Berlin vor weitere Herausforderungen. Berlin boomt, es wird viel gebaut und damit nimmt in der Regel auch die Flächenversiegelung zu. Hier ist ein Umdenken nötig – auch bei Grundstückseigentümer:innen. Denn zentrale Abwassersysteme können nicht problemlos mitwachsen. Bereits heute ist das Mischsystem bei Regen weitgehend ausgelastet.

 

Die Berliner Wasserbetriebe und das Land Berlin haben zur Reduzierung der Mischwasserüberläufe bereits viel in die Sanierung des Mischsystems investiert. Das 1998 gestartete Sanierungsprogramm zur Aktivierung und Schaffung von Speichervolumen ist mittlerweile in der Endphase. 2024 werden im Mischsystem und in den Klärwerken rund 400.000 Kubikmeter Speicherraum für die Mischwasserspeicherung zur Verfügung stehen.

Mischwasserkanal
In einem Berliner Mischwasserkanal
Abkoppeln ist wirtschaftlicher

Durch das aktuell noch laufende Sanierungsprogramm für mehr Regenwasserspeicher sind die Potenziale für die günstige Aktivierung von Speichervolumen im Kanalnetz jedoch weitgehend ausgeschöpft. Auch der Bau von zusätzlichen Mischwasserspeichern stößt mittlerweile aus Mangel an geeigneten Standorten an technische und wirtschaftliche Grenzen. Die Abkopplung steht hingegen mit Blick auf ihre Potenziale noch am Anfang. Bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich der beiden Sanierungsmaßnahmen Speicherbau versus Abkopplung hat daher die Abkopplung bei üblichen Kostenansätzen die Nase vorne.

3 %

mehr Flächen am Mischsystem sorgen für 9 Prozent mehr Mischwasserüberlauf. Im Umkehrschluss gilt: Abkopplung schlägt überproportional positiv zu Buche.

Systeme werden nachweislich entlastet

Die Berliner Wasserbetriebe haben die Auswirkungen der zunehmenden Versiegelung auf die Mischwasserüberläufe an einem repräsentativen Einzugsgebiet untersuchen lassen. Wir haben festgestellt, dass jeder weitere Anschluss von Flächen an die Kanalisation zu zusätzlichem Mischwasserüberlauf führt – und das in einem überproportionalen Ausmaß. Beispielsweise verursacht ein weiterer Flächenanschluss an das Mischsystem von 3 Prozent circa 9 Prozent mehr Mischwasserüberlauf. Im Umkehrschluss gilt auch: Eine Reduktion der Flächenanschlüsse durch Abkopplung schlägt überproportional positiv zu Buche.

Stauraumkanal Mauerpark
Im Stauraumkanal unter dem Berliner Mauerpark
Zusätzliche Anreize für Grundstückseigentümer:innen

Insbesondere Besitzer:innen von Grund und Boden können finanziell spürbar vom Abkoppeln profitieren. Entfällt die Regenwassereinleitung in die Kanalisation, lässt sich die Niederschlagswassergebühr dauerhaft einsparen. Das gilt bereits für Teilflächen. Grundstückseigentümer:innen können sich zunächst einmal auf leicht und kostengünstig abzukoppelnde Flächen konzentrieren – und dadurch bereits Teileinsparungen bei der Niederschlagswassergebühr erzielen.

»Entfällt die Regenwassereinleitung in die Kanalisation, lässt sich die Niederschlagswassergebühr dauerhaft einsparen. Das gilt bereits für Teilflächen.«
Abkopplung als Gemeinschaftsaufgabe

Die Umstellung von der Regenwasserableitung hin zur Regenwasserbewirtschaftung stellt einen Paradigmenwechsel dar, den viele Beteiligte allerdings erst noch verinnerlichen müssen. Zudem ist er in vielen Planungs- und Verwaltungsprozessen noch stärker zu verankern. Die Umstellung erfordert darüber hinaus umfassende Aufklärung, eine breite Kommunikation und neue Konzepte. Die Berliner Wasserbetriebe werden das Land Berlin bei dieser Herausforderung unterstützen.