Frau Fritz-Taute, die Politik ist mehrheitlich dafür, dass Berlin Schwammstadt wird. Bei den Fragen »wie«, »wie schnell« und »mit welchem Aufwand« gehen die Vorstellungen auseinander. Wie wichtig ist Ihnen der wasserbewusste Umbau Berlins?
Der Umbau Berlins zu einer wassersensiblen Stadt ist Teil einer integralen Klimafolgenanpassung und damit von herausragender Bedeutung für die Stadt und die hier lebenden Menschen. Neben dem wichtigen zentralen Thema des Klimaschutzes muss dem Thema Klimaanpassung künftig deutlich mehr Bedeutung zugemessen werden. Die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre haben das nochmal deutlich belegt.
Im Neubau sind wir bereits gut aufgestellt. Bei der Klimafolgenanpassung in den Bestandsquartieren muss das Tempo jedoch erhöht werden. Wir benötigen ein großangelegtes Investitionsprogramm, um den öffentlichen Raum so umzugestalten, dass er auch in Zukunft für die Berlinerinnen und Berliner eine attraktive und lebenswerte Umwelt darstellt.
»Bei der Klimafolgenanpassung in den Bestandsquartieren muss das Tempo erhöht werden. Wir benötigen ein großangelegtes Investitionsprogramm.«
Jahresbericht 2022
Das Interview mit Birgit Fritz-Taute ist erstmals in unserem Jahresbericht 2022 erschienen. Weitere Beiträge:
- Regenwasserbewirtschaftung im Bestand: Die Berliner Innenstadt zur Schwammstadt machen
- Regenwende-Barometer: Das Stimmungsbild der Wohnungswirtschaft zur Regenwasserbewirtschaftung in Berlin
- Interview mit Christoph Donner: »Der Klimawandel hat die Perspektive komplett gedreht«
Wer ist hier verantwortlich?
Die Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, betreffen die gesamte Gesellschaft. Daraus ergibt sich, dass auch die Reaktion auf die Folgen des Klimawandels auf vielen Füßen stehen muss. Private Eigentümer:innen von Grundstücken und Gebäuden müssen ebenso Maßnahmen ergreifen wie die öffentliche Hand, die natürlich in besonderer Verantwortung steht.
Innerhalb der Verwaltung kann ebenfalls nicht ein einzelnes Fachressort zuständig sein. Schließlich sind vielfältige Themen und Zuständigkeiten betroffen – von der Verkehrsplanung, über die Freiraumplanung bis hin zur Entwässerungsplanung, um nur einige betroffene Ressorts zu nennen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Welche Strategien und Instrumente gibt es, um das Ziel zu erreichen?
Hier müssen verschiedene Mittel genutzt werden. Dort, wo das Land selbst keinen direkten Zugriff hat – bei Grundstücken und Gebäuden in privater Hand – müssen durch Förderprogramme und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit das Bewusstsein und Anreize geschaffen werden, selbst tätig zu werden.
Im öffentlichen Raum und überall dort, wo das Land direkt gefragt und gefordert ist, haben wir natürlich eine besondere Verantwortung. Hier hat sich gezeigt, dass wir insbesondere durch integrierte und partizipative Planungsprozesse erfolgreich sind, denn allein durch die vom Land Berlin erlassenen Regenwasser-Einleitbeschränkungen bei Neubauvorhaben liegen noch keine guten Lösungen auf dem Tisch.
Das mag anfänglich etwas aufwändiger und langsamer gehen. Aber einerseits lohnt es sich, alle inhaltlich mitzunehmen. Andererseits können die vielfältigen Ansprüche an den öffentlichen Raum oft nicht mehr gleichzeitig erfüllt werden. Der Druck auf die Flächennutzung im öffentlich Raum steigt enorm an. Dem kann nur dadurch begegnet werden, dass alle Ansprüche die hier bestehen, transparent und gleichberechtigt respektiert und im Zweifel abgewogen werden.
Wo immer möglich müssen wir außerdem mit multifunktionalen Flächen arbeiten, indem wir beispielsweise Flächen zur Regenwasserversickerung gleichzeitig als Wasserversorgung für Straßenbäume oder Grünflächen ausgestalten.
Wie kann Berlin die Umsetzung beschleunigen?
Die Klimafolgenanpassung ist eine Generationenaufgabe mit existenziellem Charakter, für die es keine Blaupause gibt. Sicher reichen die bisherigen Anstrengungen in der bisherigen Geschwindigkeit nicht aus. Das darf uns zwar nicht entmutigen, denn jeder Schritt in die richtige Richtung bringt uns dem Ziel näher, ebenso wenig sollte es uns aber dazu verführen, uns auf dem Erreichten auszuruhen.
Letztlich sind wir zum Erfolg verdammt, denn die Folgen des Klimawandels werden gravierende Auswirkungen für die Stadtökologie mit sich bringen. Dafür müssen wir Lösungen bereithalten.
Positiv ist zu bewerten, dass die Anstrengungen und auch die verfügbaren Lösungsmöglichkeiten der Klimafolgenanpassung in den letzten Jahren gehörig an Fahrt aufgenommen haben. Aber es sollte nicht verschwiegen werden, dass, wenn wir die konkreten Vorhaben der Transformation zügiger in die Umsetzung bekommen wollen, es zusätzlicher personeller und investiver Ressourcen, vor allem in den Bezirken bedarf.
Und auch die Sicherstellung der Pflege der neuen Blau-Grünen Intrastrukturen müssen frühzeitig mitgedacht werden.
Wie dick ist das Brett, das noch gebohrt werden muss?
Die Dicke des Brettes macht mir keine Sorgen, sondern die Geschwindigkeit der Bohrmaschine. Denn so wie auch der Bohrer sich Span für Span durch das Holz frisst, werden wir uns der Aufgabe, Berlin zur wassersensiblen Stadt umzubauen, mit Beharrlichkeit, anhaltendem Optimismus und mit zunehmender Drehzahl annehmen.
»Wo immer möglich müssen wir mit multifunktionalen Flächen arbeiten.«
Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang von der Berliner Regenwasseragentur?
Ich würde mir wünschen, dass sie sich der wichtigen Rolle, die sie beim Umbau Berlins zur wassersensiblen Stadt spielt, weiterhin so kompetent und kreativ annimmt. Die Kommunikation, Mediation und Beratung zwischen den hier tätigen Akteuren ist eine Aufgabe, die in Bezug auf Ihre Bedeutung und Schwierigkeit nicht unterschätzt werden darf. Wir haben in Berlin inzwischen einen sehr großen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir Regenwasser als eine wertvolle Ressource begreifen müssen, und das ist nicht zuletzt der Verdienst der Regenwasseragentur.